Singapur: Ein strategisches Tor für deutsche Unternehmen in Asien
Singapur hat sich als einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte für deutsche Unternehmen in Asien etabliert. Rund 2200 deutsche Firmen sind in dem Stadtstaat angesiedelt – so viele wie in keinem anderen Land der Region.

Foto: Mélanie Voisin
Während Touristen Cocktails im Infinity-Pool mit Blick über die atemberaubende Skyline von Singapur genießen, geht es in den unteren Etagen des Wahrzeichens der Stadt geschäftig zu. Im Messecenter „Marina Bay Sands“ strömen Besucher durch die Hallen der „Medical Fair Asia“, wo rund 1000 Unternehmen aus aller Welt ihre neuesten Innovationen im Bereich Medizintechnik präsentieren. Hier steht viel auf dem Spiel, denn wer Singapur erobert, öffnet sich die Toren zum südostasiatischen Markt.
Das hat die Messe Düsseldorf längst für sich entdeckt und ihre Formate erfolgreich nach Singapur exportiert. Doch erst dieses Jahr bündelte sie ihre Asiengeschäfte und steuert nun ihre Tochtergesellschaften in Indien, Singapur, China und Japan von Singapur aus. Die neue Struktur „Messe Düsseldorf for Asia“ fördert den Ausbau asiatischer Messen.
Ein Schwerpunkt liegt auf Medizintechnik und Reha. Mit der ebenfalls neu gegründeten Plattform „Medicare Asia“, die sieben asiatische Messen verbindet, wollen die Düsseldorfer dem wachsenden Bedarf gerecht werden. Für den operativen Geschäftsführer der Messe Düsseldorf, Marius Berlemann, ist dies die Chance, das Wachstum im asiatischen Gesundheitsmarkt voranzutreiben: „Wir werden es nicht wie Teile der Automobilindustrie machen und den asiatischen Markt verschlafen.“
Als Stadtstaat der Größe Hamburgs hat sich Singapur (ca. 6 Mio. Einwohner) als Drehscheibe für Südostasien und darüber hinaus etabliert. „Das Wichtigste für ausländische Firmen in Singapur ist der regionale Auftrag“, weiß Tim Philippi, Geschäftsführer der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer. „Von hier aus werden oftmals die zehn ASEAN-Länder, Australien und Neuseeland betreut. In einigen Fällen kommen auch Japan oder Indien dazu. China wird aber meist separat gehandhabt.“ Insgesamt sind rund 2200 deutsche Firmen in Singapur eingetragen, deutlich mehr als in vielen anderen asiatischen Ländern.
Strategischer Standort für deutsche Unternehmen
Singapur überzeugt viele Unternehmen durch eine ausgezeichnete Infrastruktur. Mit dem zweitgrößten Hafen der Welt und dem Flughafen Changi ist es ein Knotenpunkt für den Handel. Dabei profitiert der Standort von seinen umfangreichen Freihandelsabkommen mit den wichtigsten Wirtschaftsmächten der Welt. Unternehmen wie BASF und Siemens, aber auch die Deutsche Bank haben ihre Zentralen in Singapur etabliert, von wo aus sie Südostasien und gegebenenfalls weitere Länder steuern.
Die politische Beständigkeit Singapurs wird zudem immer mehr zum Vorteil gegenüber Hongkong, das in den letzten Jahren durch politische Unruhen und den wachsenden Einfluss Chinas an Stabilität eingebüßt. In Singapur regiert seit über 60 Jahren die People‘s Action Party (PAP) und sorgt für Kontinuität in der Wirtschaftspolitik.
So ist auch Rechtssicherheit garantiert. „Ein verlässliches rechtliches Umfeld ist zum Beispiel entscheidend für Forschungsprojekte, da häufige politische Änderungen ansonsten die Planungen und Investitionen gefährden können“, betont Philippi. Dass Verträge und Gerichtsurteile auf Englisch verfasst werden, mache den Rechtsrahmen überdies klar und verständlich und sei auch ein zentraler Vorteil für deutsche Unternehmen. Dazu kommt: „Es gibt faktisch keine Korruption oder sie wird konsequent bekämpft“, so Philippi.

Das „attraktive Ökosystem“ überzeugte auch Lidl. Der Discounter-Konzern, der in der Region bereits in Hongkong eine Niederlassung hat, steuert seit 2021 seine Asieneinkäufe auch von Singapur aus. „Das war eine strategische Geschäftsentscheidung, die dem Unternehmen langfristige finanzielle und operative Vorteile bringt“, betont Bastian Grafe, Senior Director Ländermanagement bei Lidl in Asien. „Zurzeit sourcen wir einen großen Bestandteil unserer Waren aus China und Bangladesch, wollen uns aber künftig diversifizieren, um unsere Lieferketten widerstandsfähiger zu gestalten“, erzählt er. Dabei arbeitet Lidl mit verschiedenen lokalen Unternehmen zusammen, deren Produktion sich in den umliegenden asiatischen Märkten befindet. Grafe: „Wir schätzen immer wieder die beständige Unterstützung der Regierung in Kernbereichen wie Talent, Industrie, Innovation, Nachhaltigkeit und Diversifikation.“
Produktion und Hightechforschung
Die meisten deutschen Unternehmen – vor allem Maschinenbauer und Anbieter von Investitionsgütern – nutzen Singapur, um von hier aus den Vertrieb in die Nachbarländer zu steuern. Produktion spielt in Singapur aber auch eine große Rolle. Über 20 % des Bruttoinlandsprodukts stammen aus der Fertigungsindustrie, ähnlich wie in Deutschland. Elektronikunternehmen wie Pepperl+Fuchs und Infineon betreiben dort Produktionsstätten.
„Ein großer Teil der Produktion ist kapitalintensiv und die Maschinen dafür kommen idealerweise aus Deutschland“, so Philippi. Dies ist ein Grund, warum Singapur der größte Exportmarkt für deutsche Produkte in Südostasien ist. Auch Forschung und Entwicklung wird in Singapur großgeschrieben. Die Regierung fördert F&E-Aktivitäten, u. a. in Bereichen wie Elektronik, Halbleiter, Luftfahrt und Pharma.
Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Technologieförderprogramme und -inkubatoren. Genau in diesem Umfeld eröffnete das deutsche Unternehmen Waldner, das Laboreinrichtungen anbietet, vor drei Jahren einen Showroom der besonderen Art. Auf 1000 m2 können Firmen einen Arbeitsplatz im voll eingerichteten Co-Working-Labor anmieten, um verschiedenste Forschungsarbeiten durchzuführen. Gerätenutzung oder benötigte Chemikalien können gebucht werden – Kittelwäsche inklusive.
„Über 40 Unternehmen, vor allem Start-ups, haben unser Angebot schon genutzt. Sie schätzen die Flexibilität unserer Einrichtung. Wir freuen uns, sie als Multiplikatoren zu gewinnen“, erklärt Maximilian Englisch von Waldner in Singapur. Auch Krankenhäuser würden tageweise die Räumlichkeiten zu Trainingszwecken mieten. „Solche Labore gibt es in Deutschland meistens im Rahmen von großen Unis. Hier in Singapur wird so etwas eben privat betrieben.“
Trotz der vielen Vorteile müssen Unternehmen in Singapur mit hohen Kosten rechnen. Singapur gehört zu den teuersten Standorten weltweit. Die hohen Lebenshaltungskosten und die teure Infrastruktur stellen besonders kleine und mittlere Unternehmen vor Herausforderungen.
Herausforderungen: Hohe Kosten und Fachkräftemangel
Ein weiterer Engpass ist der Fachkräftemangel. Singapur verfügt zwar über renommierte Universitäten wie die National University of Singapore (NUS), aber nur über relativ wenige Einwohner. Viele Unternehmen müssen deshalb auf internationale Fachkräfte zurückgreifen.
Immerhin kommen ausländische Fachkräfte gern nach Singapur, das als Paradies für Expats gilt – mit guten Schulen und einem gut funktionierenden Gesundheitssystem.

Soziale Verantwortung
Der multikulturelle Stadtstaat, in dem Chinesen, Malaien, Inder und andere Gemeinschaften friedlich zusammenleben, wird oft für seine soziale Stabilität gelobt. Trotz dieser Harmonie bleibt jedoch die soziale Frage bestehen, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen der vielen Arbeitsmigranten. Rund 1,5 Mio. Menschen, überwiegend aus Indien, Myanmar oder Bangladesch, arbeiten in Singapur, oft in niedrig bezahlten Jobs. Mindestlohn: Fehlanzeige.
Papst Franziskus hob bei seinem historischen Besuch Anfang September 2024 die wichtige Rolle dieser Migranten hervor, die „so viel zum Aufbau der Gesellschaft beitragen und deren angemessener Lohn garantiert werden muss“. Diese Arbeitskräfte tragen erheblich zur wirtschaftlichen Stärke Singapurs bei, doch ihre Arbeitsbedingungen bleiben ein kritisches Thema.
Übrigens: In Singapur gibt es faktisch keine Pressefreiheit. Laut Reporter ohne Grenzen rangiert das Land weltweit auf einem der unteren Plätze (126 von 180). Die Regierung kontrolliert einen Großteil der Medienlandschaft und wendet strenge Gesetze an, um regierungskritische Stimmen zu unterdrücken. Kritische Journalisten oder Aktivisten sehen sich häufig mit Verleumdungsklagen konfrontiert.